Strafverfolgung gegen die Putschisten Kapp, Pabst, Jagow..

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24. März 1920

Aufnahme der Strafverfolgung gegen die Putschisten Kapp , Jagow , Pabst , Bauer , Bredereck , Falkenhausen und Doye sowie Traub . Bemäntelung der Verzögerungstaktik der Justiz –

In der nebenbezeichneten Strafsache berichte ich gehorsamst, daß der zum Untersuchungsrichter des Reichsgerichts bestellte Reichsgerichtsrat Oelschläger hier meinem Antrage vom 22. d. M. entsprechend gegen

  1. den Generallandschaftsdirektor Kapp aus Königsberg/Pr.
  2. den Regierungspräsidenten a. D. von Jagow , zuletzt in Berlin,
  3. den Major a. D. Pabst , zuletzt in Berlin
  4. den Oberst a. D. Bauer , zuletzt in Berlin
  5. den Arzt und Volkswirt Dr. med. Schiele aus Naumburg a. S
  6. den früheren Rechtsanwalt Bredereck aus Berlin
  7. den Unterstaatssekretär a. D. Freiherrn von Falkenhausen aus Berlin
  8. den Geheimen Regierungsrat Doye aus Berlin

sämtlich zur Zeit unbekannten Aufenthalts, die Voruntersuchung eröffnet, die Untersuchungshaft angeordnet und gegen sämtliche Angeschuldigte Steckbriefe erlassen hat.

Ich habe die Angeschuldigten beschuldigt, zu Berlin im März 1920 gemeinschaftlich es unternommen zu haben, die Verfassung des Deutschen Reichs gewaltsam zu ändern, Verbrechen gegen die §§ 81 Ziff. 2, 82, 47 StGB und habe ferner bei dem Ersten Strafsenat des Reichsgerichts die Beschlagnahme des Vermögens aller Angeschuldigten gemäß § 93 StGB und den §§ 480, 333 bis 335 StPO beantragt.

Weiter habe ich bereits am 22. d. M. den Präsidenten der Nationalversammlung telegraphisch ersucht, alsbald die Genehmigung der Nationalversammlung zur Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens und zur Verhaftung des Mitgliedes der Nationalversammlung, Lizentiaten Traub , herbeizuführen.

Bei der Entwicklung, welche die politischen Verhältnisse hier in Leipzig genommen hatten, und bei dem Ausbleiben jeglicher Nachrichten aus Berlin war die Stellung des Antrages auf Voruntersuchung und Haftbefehlserlaß gegen die Angeschuldigten vor dem 22. d. M. nicht möglich. Bis in die Nacht des 21. März tobte hier ein ununterbrochener, jegliche amtliche Tätigkeit lähmender Straßenkampf. Noch am 21. März 1920 war das Reichsgericht militärisch besetzt und ebenso wie die Wohnung des Unterzeichneten unmittelbar in die Kampfzone einbezogen. Eine Benutzung des Fernsprechers war nicht zu erreichen, selbst dienstliche Telegramme waren unanbringlich und blieben liegen.

So war es lediglich möglich, durch mein, auch erst nach Tagen nach dort gelangtes Telegramm vom 18. März 1920 Euere Exzellenz zu bitten, den Polizeipräsidenten in Berlin um die Verhaftung der Angeschuldigten zu ersuchen, falls dies bei Lage der Verhältnisse dortselbst ausführbar erschien. Des weiteren konnte der telephonisch sich bei mir meldende Erste Staatsanwalt beim Landgericht 1 in Berlin, Oberstaatsanwalt Krause , von mir am 20. März beauftragt werden, nach Vortrag im Reichsjustizministerium in meinem Namen alle wichtigen unaufschiebbaren Verfolgungshandlungen vorzunehmen. Über den weiteren Gang der Untersuchung werde ich fortlaufend berichten.“

Der Oberreichsanwalt an den Reichsminister der Justiz, Berlin – Leipzig, 24. März 1920. DZA Potsdam, Reichsjustizmin., Nr. 5037, Bl. 6–7. Mitteilung. Unterzeichnet: Zweigert , eigenh. Ausf. Am Kopf: ,,Geheim! Ohne Auftrag. Telegraphischer Vorbericht vom 18. März 1920″. — Vgl. hierzu die Akten des Reichsjustizministeriums: DZA Potsdam, Reichsjustizmin., Nr. 5037, 5038, 5039, 5040, 5041, 5041/1 ,,Verfahren gegen den Landschaftsdirektor Kapp und Genossen wegen Hochverrats — Zu den im Dokument genannten Putschisten traten später noch Wangenheim , Lensch , Schnitzler , Trebitsch-Lincoln , Bang , Ehrhardt und Lüttwitz . (Vgl. DZA Potsdam, Reichsjustizmin., Nr. 5037, Bl. 181–184 und DZA Merseburg, Rep. 90 a Abt. D Tit. I l Nr. 30 Bd. I, Bl. 52). über Lüttwitz und Ehrhardt vgl. auch DZA Potsdam, Reichsjustizmin., Nr. 5041/2 „Verfahren gegen den General v. Lüttwitz und Genossen wegen Vorbereitung zum Hochverrat“ und DZA Potsdam, Reichsjustizmin., Nr. 5042 – 5042/1 ,,Strafverfahren gegen den Korvettenkapitän Ehrhardt und Genossen wegen Hochverrats“. Gegen Bredereck , Lensch , Falkenhausen , Bang , Doye und Traub wurde durch Entscheidung des Reichsgerichts das Verfahren auf Grund des Amnestiegesetzes vom 4. August 1920 eingestellt. (Vgl. DZA Potsdam, Reichsjustizmin., Nr. 5037, Bl. 181–184, und DZA Potsdam, Büro d. Reichspräs., Nr. 219, Bl. 245.) — in Arbeitereinheit rettet die Republik (1970)

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