Mechterstädter Morde

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24. März 1920

Am 24. März 1920 besetzten die Studenten unter Führung eines von Selchow Thal [Bad Thal] , die Unterführung hatte ein Herr Baldus . Der Gendarmeriewachtmeister Heß aus Thal setzte sich mit Herrn Baldus in Verbindung und übergab ihm eine Liste von Menschen, die als Haupträdelsführer der Roten Armee bezeichnet wurden. Wie gearbeitet worden ist, kann man daraus ersehen, dass von diesen vierzig Aufrührern fünfundzwanzig sofort wieder auf freien Fuß gesetzt werden mußten. Fünfzehn Mann nahmen die Studenten mit. “

Die Gesinnung der Geßlerschen Reichswehrtruppen wird durch die Angabe des Herrn v. Selchow illustriert: »Die Gefangenen wurden ausgeladen und von einem starken Kordon von Angehörigen des Studentenkorps umgeben, denen es nur mit größter Mühe gelang, die wütende und mit Knüppeln gegen die Gefangenen vorgehende Menge der Bevölkerung und der Reichswehrtruppen zurückzuhalten.« Die Gefangenen waren in diesem Augenblick wehrlos.

Auf dem Marsch von Mechterstedt nach Gotha wurden die fünfzehn Gefangenen aus Thal von den Studenten ermordet. Der cand. med. dent. Schaumlöffel spricht von einer Erschießung auf der Flucht. Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder sind die Gefangenen alle fünfzehn auf einmal entflohen. Dann hätten die Wachmannschaften in der größten Geistesgegenwart sofort die umgehängten Gewehre hochgenommen, gezielt, geschossen und getroffen, und das bei dichtem Nebel. Schaumlöffel schreibt, dass es der geübtesten Geistesgegenwart bedürfe, um solchen Versuchen zu parieren. Fünfzehn Schüsse im Nebel überraschter Menschen und fünfzehn tödliche Treffer: das ist sehr unwahrscheinlich.

Oder aber: die Gefangenen sind nacheinander entflohen, das heißt, nachdem ein oder zwei einen mißglückten und mit ihrem Tode endenden Fluchtversuch gemacht haben. Das ist sehr unwahrscheinlich. Die Erschossenen haben fast alle Kopf- und Brustschüsse teilweise von vorn gehabt. Auf diese wichtigen Fragen geht der Wingolf-Mann überhaupt nicht ein[…]

Der Preußengeist unter diesen Studenten ist unausrottbar, und das könnte uns gleichgültig sein, wenn diese nicht die zukünftigen Verwaltungsbeamten, Kassenärzte, Priester und Richter werden, Richter, deren Objektivität anzuzweifeln vom Augenblick ihrer Ernennung an verboten ist. Aber was können das für Beamte und für Richter werden, die so eine Auffassung des Kampfes haben, dass sie, wie der Stabsfeldwebel einmal schreibt, auf einen sogenannten Spartakisten sofort schießen, ohne dass der irgend etwas tat! »Die Dämmerung schützte ihn leider vor unseren Kugeln.«

[…] Ganz abgesehen von der geradezu talmudischen Rabulistik, mit der zwischen Kapp , Generalstreik , Revolution und Aufstand immer derjenige als ein Verbrecher abgestempelt wird, den man politisch haßt, ergibt sich dieses Bild:

[…] Die deutsche Jugend auf den kleinen Universitäten ist zum großen Teil durch den Krieg verroht und entsittlicht. Verroht: Mord und Totschlag machen ihnen Spaß, und sie empfinden Mord und Totschlag nicht mehr als Delikte, wenn sie >dienstlich< begangen werden.

[…] So entstehen solche Mordtaten, und so entstehen solche Freisprüche.

Wenn ihr etwas in der Angelegenheit Mechterstedt tun wollt, so lest die gute Broschüre >Der Schrei nach dem Recht. Die Tragödie von Mechterstedt< von Henning-Duderstadt. Wenn ihr noch mehr tun wollt, dann schickt einen kleinen Beitrag für die Hinterbliebenen, die sich ihren Unterhalt und ihr Recht nun suchen müssen, an Herrn W. Bock , Gotha , Sonnborner Straße 18.

Der Stabsfeldwebel, Zahnarzt und Wingolf-Mann hat umsonst geschrieben. Umsonst Phrasen, Wartburg-Begeisterung und schwarz-weiß-rote Gesinnung, die in einem Auszug zur Menschenschlächterei »den Höhepunkt in dem Wintersemester 1920« sieht. Umsonst, Stabsfeldwebel, umsonst! Unser Urteil steht fest. Wir wissen, wie man das Ereignis auf der Chaussee nennt: Mord. Mord. Mord.

Ignaz Wrobel ( das ist Kurt Tucholsky ) .     Freiheit, 11.08.1920.
Vollständiger Text auf textlog.de

siehe auch das Buch: Die Morde von Mechterstädt 1920

Trauerfeier Bad Thal
Der Schwarzhäuser Pfarrer Erhard Boehm hielt die Grabrede bei der Beisetzung in Thal.
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