Kapp-Lüttwitz-Putsch

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15. März 1920

BERLIN, SONNABEND, DEN 13. MÄRZ 1920 –
ZWISCHEN SIEGESSÄULE UND BRANDENBURGER TOR

Herren in Generalsmontur und im maßgeschneiderten Anzug vergleichen ihre Uhren und nicken einander vielsagend zu: Fünf Uhr frühmorgens. – Ihr dem Reichspräsidenten Ebert gestelltes Ultimatum ist abgelaufen! Nach längst vorbereiteten, weit ins Land greifenden Befehlen nun scharfe Kommandos. Und die 6 000 Mann der aus dem Truppenlager Döberitz herbeigetrommelten Marine-Brigade Ehrhardt rücken ein in Berlin; genagelten Tritts und mit scharf durchgeladenem Karabiner.“,“Was hat sie denn so maßlos aufgebracht, zum Überschäumen, sie, des nach Holland geflohenen deutschen Kaisers hohe und höchste Generale, sie und ihre zivilen Trabanten, dass sie an diesem 13. März 1920 alles, aber auch alles auf eine Karte setzen: auf den von ihnen mit militärischer Gewalt in Gang gesetzten Putsch? Wofür und wogegen putschen sie?

Mit Blick auf den Katender geht es ihnen zunächst (!) um den unmittelbar bevorstehenden 31. März. Bis zu diesem Zeitpunkt, laut Versailler Vertrag, ist die Reichswehr auf 100000 Mann zu verringern. Statt des Kaisers Millionenheer sind das gerade mal lausige sieben Divisionen. Auch deshalb schon vor dem Putsch-Sonnabend: Schüsse vor den Bug der ,,Weimarer“ Regierung!  Daß dem Putsch zunehmend zwei Personennamen vorangestellt worden sind, hat seine historisch nach-weisbare Bewandtnis.

Ins politische Rampenlicht gespielt hatte sich zusehens der erzreaktionäre kaiserliche General Walter Freiherr von Lüttwitz . Ausstaffiert mit den Sporen eines bereits im Ersten Weltkrieg führenden Generalstäblers, befehligte er nach der Deutschen Novemberrevotution zahlenmäßig riesige Verbände der Reichswehr. Besser ausgedrückt: der postkaiserlichen Armee.

Von unbändigem Haß auf die ,,Weimarer Verhältnisse“ zerfressen, widersetzte er sich brüsk-provokativ dem von Reichspräsident Ebert und Reichswehrminister Noske am 29. Februar 1920 ausgefertigten Befehl, im Sinne der Versailler Bestimmungen die nach ihrem Korvetten-Kapitän Ehrhardt benannte Marine-Brigade ersatzlos aufzulösen.
Nicht genug mit diesem kaum zu überbietenden Affront, ordnete von Lüttwitz für den 1. März 1920 eine großangelegte Truppen-Parade des ihm direkt unterstellten, 6 000 Mann starken Ehrhardt-Verbandes an.
Auch damit noch nicht genug. An die Adresse Eberts und Noskes gerichtet, bricht er vor den zeremoniell Paradierenden, also vor der Öffentlichkeit, in die meuterische Drohung aus: nie und nimmer werde er zulassen, dass man die Marine – Brigade  Ehrhardt auch nur antaste. Es scheint: das Maß ist voll. Um sein Gesicht nicht vollends zu verlieren, enthebt Ebert, wenngleich zögerlich, den unverhüllt rebellierenden von Lüttwitz seines Postens.

Und damit tritt die Vorbereitung des Putsches in ihre ,,heiße Phase“ ein. Der Vorwand, der durch und durch schwindsüchtige Vorwand für den bewaffneten Sturm auf die regierenden ,,Sozis“ und deren mitregierende Liberale ist gegeben.

Korvetten-Kapitän Ehrhardt , seit jeher politischer Intimus des meuternden Generals und damals bereits Verfechter der Parole ,,Hakenkreuz am Stahlhelm!“ -er und die ihn umgebende Döberitzer, Wünsdorfer, Zossener Generals- und Offizierskamarilla reagieren buchstäblich in Windeseile auf die Ebert-Entscheidung. Mit heißer Nadel stricken sie ihr ,,historisches“ Ultimatum, das, wie auch immer formuliert, so und nicht anders verstanden sein soll: Entweder sofort und ohne jegliche Einschränkung den General von Lüttwitz wieder zurück auf seinen bisherigen Posten! – Oder: Es knallt!

Weshalb ist sich denn diese ganze Putsch-Kumpanei ihrer miserablen Sache so sicher? Weil sie auf das ihr von der Generalität gegebene Wort baut: ,,Die Reichswehr schiesst nicht auf die Reichswehr!“ Das wissen auch der Reichspräsident Ebert und der Reichswehrminister Noske.
Das wissen sämtliche Militärs, vom Weltkriegs-„helden“ Ludendorff bis zum kleinen Leutnant in Meiningen, Ohrdruf und Gotha hinab.
Das wissen die politischen Dunkelmänner, die angesichts der Deutschen Novemberrevolution in ihren Mauselöchern verschwanden. Und das weiß vor allem einer:

DIE ZIVILE GALLIONSFIGUR WOLFGANG KAPP

Weil es dem gold- und silberbetressten militaristischen Clan verfrüht erscheint, einen ,,deutschen Pinochet“ an die politische Spitze seines monströsen Unternehmens zu manövrieren, kommt ihm ein 62jähriger Zivilist wie gerufen, dessen Lebenslauf nicht einen einzigen demokratischen Flecken aufweist.

Er heißt Wolfgang Kapp , nennt sich Generallandschaftsdirektor, haßt die Weimarer Republik wie die Pest und giert nach dem totalen politischen Umsturz. Angesiedelt in den Kreisen des Großgrundbesitzes und der Banken, erwarb er sich hohe ,,Verdienste“ als Mitbegründer stockreaktionärer ,,vaterländischer“ Verbände.

Seine außenpolitischen Ambitionen zielten schon 1919, nach Unterzeichnung des Versailler Vertrages, ab auf einen Krieg gegen Polen. Seine innenpolitischen waren, bezeichnenderweise, nicht zuletzt daran ablesbar, dass er gemeinsam mit einem Hauptmann Pabst in einer ,,Nationalen“ Putschisten – ,,Vereinigung“ den Ton angab – gemeinsam mit jenem Hauptmann Pabst, der am 15. Januar 1919 im Berliner Hotel ,,Eden“ den Meuchelmord an den Arbeiterführern Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg befahl.

Beide, von Lüttwitz und Kapp, bedingten einander. Der eine hatte den politischen Trommler, die politische Gallionsfigur nötig, der andere den militärischen Rammbock. Und beide signieren das auch unter dem Text, den sie dem Volk kund tun, als ihr Putsch am 13. März 1920 marschiert:

  • Die bisherige Regierung hat aufgehört zu sein. Die gesamte Staatsgewalt ist auf den mitunterzeichneten Generallandschaftsdirektor Kapp – Königsberg – als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident übergegangen. Zum militärischen Oberbefehlshaber, gleichzeitig als Reichswehrminister wird vom Reichskanzler der General der Infanterie, Freiherr von Lüttwitz berufen. Eine neue Regierung der Ordnung, der Freiheit und der Tat wird gebildet.
    Freiherr von Lüttwitz, General der Infanterie
    Kapp, Generallandschaftsdirektor

Aber da ist ein einziges, unmissverständliches Wort, das die Staatsstreichs-Kalkulation nicht aufgehen lässt – das Wort von 12 Millionen echten deutshen Demokraten.
GENERALSTREIK!

… Während Erhardts Marinebrigade Berlin auf den Kopf stellt, dem Putsch missliebige Personen verhaftet, staatliche Gebäude besetzt, in den Straßen paradiert oder, je nachdem, Schüsse abfeuert auf vermeintliche ,,Feinde“ …… während Kapp und Lüttwitz einander ihre Bälle zuwerfen und sich kraft ihres Rutsches selber auf die  höchsten, die lukrativsten Posten katapultieren …… während die Putschisten den Ausnahmezustand proklamieren, die Nationalversammlung und die Preußische Verfässungsgebende Versammlung für aufgelöst und den Reichspräsidenten, die Reichsregierung samt der Preußischen Regierung für abgesetzt erklären ……weichen die Regierenden der Weimarer Republik nur der ,,Gewalt“ – und, Reichspräsident Ebert an der Spitze, setzen sich ab: zunächst ins sächsische Dresden und dann ins entferntere Stuttgart .
Und sie, diese zum Erbarmen hilflose Regierung, sie, frühzeitig genug über den heraufziehenden Staatsstreich informiert, sie sieht für ihre Existenz nur noch eine einzige Chance: sie bittet das einfache Volk um Hilfe. Vor allem die politisch linken Kräfte und die Gewerkschaften sind sich einig in dem Appell: AUF ZUM GENERALSTREIK !

Zwölf Millionen Männer und Frauen, Alte und Junge, Gelernte und Ungelernte schalten ihre Maschinen aus, hängen ihr Werkzeug an den Nagel, schließen ihre Schalter. Generalstreik!: Alle Räder stehen still…
Gestreikt wird gegen den Putsch, gegen die Kapp und von Lüttwitz, gegen die politische und militärische Lobby des Staatsstreichs, gegen die drohende Militärdiktatur, gegen die Restaurierung vorrevolutionärer monarchischer Zustände. Und gestreikt wird: für Demokratie, selbst für jene nach ,,Weimarer“ Art. Gestreikt wird für die im Jahr 1919 in Kraft getretene Verfassung. Gestreikt wird für die – wenngleich unvollkommenen Errungenschaften aus der Deutschen Novemberrevolution, für den 8-Stunden-Arbeitstag, für bürgerliche Freiheiten, für bürgerliches Recht.

In der durch alle deutschen Länder verlaufenden Streikfront: Sozialdemokraten und Kommunisten, Anhänger der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei und Verfechter weiterer politisch linker Bewegungen, Gewerkschafter und Parteilose, junge Burschen und von langen Jahrzehnten Gezeichnete, Pazifisten und Weltkriegs-Soldaten.
Daher nimmt es nicht wunder, dass dem prinzipiellen Gedanken des Generalstreiks hinzu Forderungen laut werden, die auf die sozialdemokratische Losung gegründet sind ,,Der Sozialismus marschiert!“, die auf eine Menschengesellschaft abzielen, die den Widerspruch zwischen unermesslichem Reichtum und kaum beschreibbarer Armut abschafft und die dartun, wie, wohin und mit wem Schritte zu setzen sind: … damit der Mensch ein Mensch ist!

Und der Generalstreik warnt mit seiner Geschlossenheit und mit seiner Entschlossenheit:

Wer die Demokratie mit der Waffe angreift, gegen den wird die Demokratie mit der Waffe verteidigt!“,“

in: Broschüre: Vor 80 Jahren am 15. März 1920 in Suhl,  , herausgegeben von der PDS-Basisorganisation Suhl – Geschichtskommission

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