Der Militärputsch vom 13. März 1920
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13. März 1920
Der Militärputsch vom 13. März 1920 war eine lebensgefährliche Bedrohung für die junge Weimarer Republik. Der politische Kopf der Putschisten, der rechtsradikale Politiker Wolfgang Kapp, hatte ein Programm, das auf eine Kanzlerdiktatur, die Entmachtung der Parteien und den Einbau aller Verbände einschließlich der Gewerkschaften in einen autoritären Korporativstaat hinauslief. Das Unternehmen einmal in Gang gesetzt, konnten die Putschisten hoffen, daß die Dynamik von Putsch und Bürgerkrieg das Militär in die politische Schlüsselposition bringen würde. Wenn sie gesiegt hätten, wäre ein politisches System nach Art von Franco-Spanien die Folge gewesen.
Nun ist zugegeben, daß der Militärputsch von 1920 dilettantisch inszeniert war; seitdem ist auf der ganzen Welt von den Planern von Militärputschen ungeheuer viel dazugelernt worden. Aber das darf nicht dazu führen, die Bedeutung des Putsches von 1920 herunterzuspielen. Schon daß der Putsch überhaupt inszeniert werden konnte, war eine ungeheure Katastrophe für die politischen Kräfte, die die junge Weimarer Republik aufgebaut hatten. Man betrachte nur einmal den Zeitpunkt; knapp 1 1/2-Jahre nach dem Sturz des Kaiserreichs und dem Sieg der Revolution vom November 1918!
Der Militärputsch in Berlin hielt sich fünf Tage, dann brach er vor den Kräften des Widerstands zusammen. Bald darauf kehrte die geflohene Reichsregierung von Stuttgart nach Berlin zurück. In verschiedenen Regionen des Reichs jedoch gingen die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Militär und Arbeiterschaft weiter, am heftigsten im rheinisch-westfälischen Industriegebiet. Die Reichsregierung entsandte zwei Spitzenpolitiker, Carl Severing (SPD) und Johann Giesberts (Zentrum). In Bielefeld kam es zu Verhandlungen mit Vertretern der aufständischen Arbeiter. Diese verlangten Konsequenzen aus dem Militärputsch und gesellschaftspolitische Veränderungen, die die katastrophale Fehlentwicklung korrigieren sollten. Um diese Forderungen abzuwehren, spielten Severing und Giesbens den Militärputsch mit allen Kräften herunter; sie sprachen von einer Köpenickiade, und man weiß ja, der Hauptmann von Köpenick kann nur die Figur eines Lustspiels abgeben.
Der Generalstreik
Der Generalstreik, der mit ungeheurer Wucht gegen den Militärputsch einsetzte, war der einzige politische Generalstreik in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, der diesen Namen verdient. Er ist ein Markstein in der demokratischen Tradition Deutschlands. Aber auch hier muß man sich vor Illusionen und Mythen hüten.
Vor allem eine Partei ist es, die keine historische Berechtigung hat, sich den Generalstreik von 1920 als Ruhmestitel anzuheften: die SPD. Sie tut das bis heute und beruft sich dafür auf folgenden Aufruf:
»Arbeiter, Genossen! Wendet jedes Mittel an, um die Wiederkehr der blutigen Reaktion zu vernichten. Streikt, schneidet dieser Militärdiktatur die Luft ab, kämpft mit jedem Mittel um die Erhaltung der Republik, laßt alle Spaltung beiseite! Es gibt nur ein Mittel gegen die Rückkehr Wilhelms II.: die Lahmlegung jedes Wirtschaftslebens! Proletarier, vereinigt euch!«
Dieser Text mit seiner Anlehnung an das Kommunistische Manifest war unterzeichnet von den SPD-Ministem der Reichsregierung und von Otto Wels namens des SPD-Parteivorstandes. Nun ist zunächst mehr als zweifelhaft, ob die Minister diesen Text überhaupt verfaßt und unterzeichnet haben, bevor sie sich in die Autos setzten, um vor den Putschisten aus Berlin zu fliehen. Vermutlich stammt der Text aus der Feder des Pressechefs der Reichskanzlei. Vor allem aber haben die SPD-Minister sich wiederholt öffentlich von ihm distanziert. Als sie aus Berlin zunächst nach Dresden, dann von Dresden weiter nach Stuttgart flohen, wurden sie von Generälen, die den Generalstreik bekämpften, wegen dieses Textes zur Rede gestellt. Dasselbe geschah dann telephonisch von General v. Watter in Münster, der für das rheinisch-westfälische Industriegebiet zuständig war. Jedesmal haben die SPD-Minister, voran Reichswehrminister Noske, beteuert, sie hätten mit diesem Aufruf nichts zu tun und mißbilligten den Inhalt.
Diese Konfrontation und die weitere Erfahrung von 1920, daß ein Generalstreik, einmal in Gang gesetzt, eine radikalisierende Eigendynamik entfaltete, fuhr dann der SPD-Führung für alle Zeiten in die Knochen. Das war einer der Gründe, weshalb sie im Prozeß des Untergangs der Weimarer Republik zu keinem Zeitpunkt daran dachte, zum Generalstreik aufzurufen.
Machen wir uns klar, was das heißt: totale Arbeitsniederlegung und Stillstand aller Produktion und Zirkulation gegen putschendes Militär, das eine vorzügliche Verpflegung erhielt. Zum Kalkül der Putschisten gehörte, die Industriearbeiterschaft von den agrarischen Regionen aus notfalls auszuhungern.
Es gab Arbeiterführer, die die begrenzte Reichweite des Generalstreiks erkannten und das Kalkül der Putschisten erahnten. Hagen war eine der wenigen Großstädte, die zum Zeitpunkt des Putsches ohne militärische Besatzung waren, was General v. Watter in Münster dann schleunigst zu korrigieren versuchte. Hier forderte am Nachmittag des Putschtages ein USPD-Führer in einer Konferenz, man müsse den bewaffneten Widerstand organisieren, und er begründete dies damit, daß »ein Generalstreik auf lange Frist unmöglich ist und letzten Endes doch zum Siege der Reaktion führen muß.«
Für diese Auffassung fand er eine Mehrheit: ein Ausgangspunkt für den Aufstand im Industriegebiet. Andernorts waren die Parteifunktionäre vielfach bedenklich und zögernd.
Aber entscheidend war das Handeln der Arbeiter. Landauf, landab ertönte ein einziger Ruf nach Waffen als Antwort auf die Nachricht vom Putsch in Berlin. Waffenlager wurden ausgehoben, Bürgerwehren, Kriegervereine usw. entwaffnet, mit den ersten Waffen traten die Arbeiter dem Militär entgegen, nicht nur im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, sondern auch in Mitteldeutschland um Halle und Merseburg, in Teilen von Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg und Pommern.
Erhard Lucas1920
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Thema: Kapp-Putsch
(13. 03. 1920)
Schlagwort: Kapp Putsch |