Der Abgeordnete Ludwig (USP) berichtete in der Reichstagssitzung vom 29. Juli 1920, daß annähernd 4000 Personen in Haft genommen worden seien, darunter Leute, die nur am Sicherheitsdienst beteiligt waren oder Lebensmittellager bewacht haben. Gegen 822 Personen waren in diesem Zeitpunkt – also zu einer Zeit, als noch kein einziger Teilnehmer des Kapp-Putsches zur Verantwortung gezogen war – bereits Urteile über insgesamt 919 Jahre Gefängnis und 168 Jahre Zuchthaus gesprochen.
Dabei hatten einige Gerichte vorgedruckte Urteilstexte verwendet, die mit allgemeinen Ausführungen über den Charakter der Roten Armee begannen und mit zwei zur Auswahl (»Nicht Zutreffendes streichen!«) gestellten Strafzumessungserwägungen endeten.
Gegen die Urteile der außerordentlichen Kriegsgerichte gab es kein Rechtsmittel. Sie waren besetzt mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, die zum Richteramt befähigt sein mußten und von dem Inhaber der vollziehenden Gewalt ernannt wurden. Ihre Zuständigkeit bezog sich auf die wichtigsten Verbrechen und Vergehen.
Die durch Notverordnung des Reichspräsidenten legalisierte Standgerichtsbarkeit der Truppe, die mit einer von Ebert mit rückwirkender Kraft bestätigten Verordnung des Generals von Stoltzmann vom 13. März 1920 – erster Tag des Kapp-Putsches! – begonnen hatte und deren Abgrenzung zum schlichten Mord ohnehin in vielen Fällen flüssig war, setzte sich auch nach ihrer Aufhebung in einer Reihe willkürlicher und formloser Erschießungen fort, die nie eine Sühne gefunden haben. Der Abgeordnete Ludwig legte dem Reichstag am 29. Juli 1920 eine Liste von über 200 erschossenen Personen vor.
in Erhard Lucas : Märzrevolution –
Vorher - Nachher
Thema: Kapp-Putsch
(29. 07. 1920)
Schlagwort: Justiz |