Wer darf wählen in Bremen

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4. Dezember 1918

Mitglied des A.-Rats Schelter (SPD) berichtete über die Arbeiten der Kommission und erläuterte den vorgelegten Entwurf. Man wäre von dem Gedanken der Gleichberechtigung ausgegangen, daß nämlich alle drei hier in Bremen vorhandenen Parteiorganisationen im A.-Rat vertreten sein sollten. […] Im übrigen wäre man betreffs der Zusammensetzung des A.-Rats von dem Gedanken ausgegangen, daß der A.-Rat auch wirklich ein A.-Rat sein sollte. [. . .]

Mitglied des A.-Rats Peine (SPD) fragte, warum man nicht einen einheitlichen Wahlmodus eingeführt hätte. […] Er beantrage daher einen geschlossenen Wahlkörper, den man etwa folgendermaßen umfassen könnte: die Gesamtheit der in den bremischen Betrieben beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen, die der reichsgesetzlichen Krankenversicherung unterstehen, sind Wahlkörper. Redner trat weiter dafür ein, daß auch die in den christlichen und Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften organisierten Leute wahlberechtigt sein müßten, und empfahl für das aktive und passive Wahlrecht ein Wahlalter von 20 Jahren, damit man nicht sagen könnte, der Arbeiterrat wäre von Lehrlingen gewählt. [. . .]

Mitglied der Wahlreglements-Kommission Brauckmüller (USPD) erwiderte, niemand hätte das Recht zu wählen, der nicht auf dem Boden der sozialistischen Republik stände. Alle zweifelhaften Elemente müßten ausgeschaltet werden und damit der bürgerlichen Gesellschaft von vornherein gesagt werden, daß man fortan die Dinge so gestalten würde, wie sie für die Arbeiterschaft am besten wären. In diesem Sinne hätte sich die Kommission ganz richtig etwas von dem Geiste der proletarischen Diktatur leiten lassen.

Mitglied des A.-Rats Stockhinger (IKD) trat gegen die Einbeziehung der christlichen und Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften auf. Man hätte schon durch die drei vorhandenen Parteirichtungen genügend Zwistigkeiten gehabt. Mitglied des Aktionsausschusses Brodmerkel (IKD) führte aus, der Vorschlag Feines liefe darauf hinaus, den Arbeiterrat als Träger der Revolution zu verwässern. [. . .]

Mitglied des Aktionsausschusses Klawitter (USPD): [. . .] In nicht allzu ferner Zeit würde man die Nationalversammlung haben. In dem bis dahin gehenden Interregnum dürfte man keine Leute in den Arbeiterrat aufnehmen, die mit dem, was man erreichen wollte, nicht einverstanden wären. Bis dahin müßte man unter sich sein, um wenigstens einen Teil von dem schon zu verwirklichen, was man sich zum Ziel gesteckt hätte.

Mitglied des A.-Rates Deichmann (SPD) unterstützte den Vorschlag Feines. [. . .] Die Furcht vor den nichtorganisierten Wählern wäre ihm unverständlich. Redner beantragte eine prinzipielle Entscheidung durch Abstimmung über ein Betriebswahlrecht und daneben ein Berufswahlrecht, wie der Entwurf es vorschlüge, oder ein allgemeines, proportionelles Wahlrecht der gesamten Arbeiterschaft nach Parteirichtungen. [. . .]

Wenn gesagt würde, daß die Mehrheitssozialisten nur Offiziere darstellten, die keine Soldaten hinter sich hätten, dann brauchte man dieses Proportionswahlrecht ja nicht zu scheuen. Vorsitzer Herr Henke (USPD): [. . .] Ob man also ein Wahl-reglement schaffen sollte, das alle Arbeiter oder nur die politisch oder gewerkschaftlich organisierten Arbeiter zur Wahlurne zuließe, wäre eine Frage von großer Wichtigkeit und Bedeutung, über die man eine prinzipielle Entscheidung besser nicht sofort vornähme. [. . .]

Protokoll der Sitzungen des Arbeiter- und Soldatenrats in Bremen. Sitzung 4. Dezember 1918, Seite 30–32 – nach den Tageszeitungen wiedergegeben — in Revolution und Räterepublik in Bremen (1969)

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