Der Bruch Münzers mit Luther und seiner Partei war schon lange vorhanden. Luther hatte manche Kirchenreformen selbst annehmen müssen, die Münzer, ohne ihn zu fragen, eingeführt hatte. Er beobachtete Münzers Tätigkeit mit dem ärgerlichen Mißtrauen des gemäßigten Reformers gegen energischere, weitertreibende Partei. Schon im Frühjahr 1524 hatte Münzer an Melanchthon, dieses Urbild des philiströsen, hektischen Stubenhockers, geschrieben, er und Luther verständen die Bewegung gar nicht. Sie suchten sie im biblischen Buchstabenglauben zu ersticken, ihre ganze Doktrin sei wurmstichig.
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„Lieben Brüder, laßt euer Warten und Zaudern, es ist Zeit, der Sommer ist vor der Tür. Wollet nicht Freundschaft halten mit den Gottlosen, sie hindern, daß das Wort nicht wirke in voller Kraft. Schmeichelt nicht euren Fürsten, sonst werdet ihr selbst mit ihnen verderben. Ihr zarten Schriftgelehrten, seid nicht unwillig, ich kann es nicht anders machen.“
Luther fordert Münzer mehr als einmal zur Disputation heraus; aber dieser, bereit, den Kampf jeden Augenblick vor dem Volk aufzunehmen, hatte nicht die geringste Lust, sich in eine theologische Zänkerei vor dem parteiischen Publikum der Wittenberger Universität einzulassen. Er wollte „das Zeugnis des Geistes nicht ausschließlich auf die hohe Schule bringen“. Wenn Luther aufrichtig sei, so solle er seinen Einfluß dahin verwenden, daß die Schikanen gegen Münzers Drucker und das Gebot der Zensur aufhöre, damit der Kampf ungehindert in der Presse ausgefochten werden könne.
Jetzt, nach der erwähnten revolutionären Broschüre Münzers, trat Luther öffentlich als Denunziant gegen ihn auf. In seinem gedruckten „Brief an die Fürsten zu Sachsen wider den aufrührerischen Geist“ erklärte er Münzer für ein Werkzeug des Satans und forderte die Fürsten auf, einzuschreiten und die Anstifter des Aufruhrs zum Lande hinauszujagen, da sie sich nicht begnügen, ihre schlimmen Lehren zu predigen, sondern zum Aufstand und zur gewaltsamen Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit aufrufen.
Am 1. August [1524] mußte Münzer sich vor den Fürsten auf dem Schloß zu Weimar gegen die Anklage aufrührerischer Umtriebe verantworten. Es lagen höchst kompromittierende Tatsachen gegen ihn vor; man war seinem geheimen Bund auf die Spur gekommen, man hatte in den Verbindungen der Bergknappen und Bauern seine Hand entdeckt. Man bedrohte ihn mit Verbannung. Kaum nach Allstedt zurück, erfuhr er, daß Herzog Georg von Sachsen seine Auslieferung verlangte; Bundesbriefe von seiner Handschrift waren aufgefangen worden, worin er Georgs Untertanen zu bewaffnetem Widerstand gegen die Feinde des Evangeliums aufforderte. Der Rat hätte ihn ausgeliefert, wenn er nicht die Stadt verlassen hätte.
in: „Friedrich Engels: Der deutsche Bauernkrieg“ – geschrieben im Sommer 1850, zuerst in: „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue“, Fünftes und Sechstes Heft, Mai bis Oktober 1850, von Friedrich Engels zuletzt bearbeitet 1875.
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Thema: Bauernkriege
Quelle(n): Der deutsche Bauernkrieg, Neue Rheinische Zeitung
(02. 05. 1524)