Putschisten werden nicht verfolgt
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14. Mai 1925
Daß der Erlaß des Steckbriefes lediglich zur Beschwichtigung der öffentlichen Meinung dienen sollte, an eine ernsthafte Verfolgung der Putschisten aber überhaupt nicht gedacht wurde, geht daraus hervor, daß die meisten von ihnen sich nach dem Zusammenbruch des Staatsstreiches zunächst noch ganz ungeniert in Deutschland bewegen und sich schließlich einer Verhaftung durch die Flucht entziehen konnten.
- So hielt sich Kapp noch 4 Wochen, bis zum 10. April 1920, ,,an verschiedenen Orten der Mark“ auf (vgl. DZA Merseburg, Rep. 92 Kapp, E II 27, Bl. 260) und floh dann mit militärischer Unterstützung im Flugzeug nach Schweden.
(Vgl. Kessel, Hans v., Handgranaten und rote Fahnen, Tatsachenbericht aus dem roten Berlin 1918 bis 1920, Berlin 1934.) - Auch Lüttwitz, der sogar nach dem Putsch seinen Aufenthaltsort der Regierung angezeigt hatte blieb von der Klassenjustiz ungeschoren. So konnte er im April 1920 ins Ausland (Ungarn) fliehen, von wo aus er in einer öffentlichen Erklärung darauf hinwies, daß der Reichsregierung sein Aufenthalt bekannt gewesen sei und ankündigte, sich dem Gericht zu stellen. Am 20. Dezember 1920 wurde das Verfahren gegen Lüttwitz „vorläufig“ eingestellt, da er ,,flüchtig“ sei. (Vgl. DZA Potsdam, Reichsjustizmin,, Nr. 5041/2, Bl. 44). Bereits 1922 befand er sich wieder in Bayern, wie aus einem Brief an Schiele hervorgeht (Vgl. DZA Merseburg, Rep. 92 Kapp, E II 26, Bl. 308).
In einem Schreiben an Kapp vom 14. 3. 1922 teilte Lüttwitz mit, daß er sich bereits ,,seit einem Jahr meistens in Deutschland“ aufhält, daß die Regierung aber offensichtlich ,,kein großes Verlangen“ nach seiner Ergreifung habe ,,sonst müßte sie ihr ein Leichtes sein“. Gleichzeitig teilte er mit, daß er öfter mit Ehrhardt , Bauer , Pabst und Ludendorff zusammenträfe. (Vgl. ebenda, Bl. 309). Selbst auf die Mitteilung hin, daß der siebzigjährige Lüttwitz 1925 in Schlesien geheiratet habe, unternahm die Klassenjustiz keinerlei Versuche, des Hochverräters habhaft zu werden, obwohl ihr sein Aufenthaltsort bekannt sein mußte (vgl. DZA Potsdam, Reichsjustizmin., Nr. 5041/2, Bl. 71). - Ehrhardt hielt sich noch bis zum Mai im Munsterlager bei seiner Marinebrigade auf, konnte unbehelligt nach Bayern ausweichen und später nach Ungarn flüchten. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er im November 1922 in München, w er sich unter dem falschen Namen Hugo v. Eschwege und Consul Eichmann aufhielt, verhaftet. Der Prozeß gegen ihn fand nie statt, da es Ehrhardt gelang, mit Hilfe von Komplicen kurz, vor der Hauptverhandlung im Juli 1923 aus der Untersuchungshaft in Leipzig zu fliehen. (Vgl. DZA Potsdam, Reichsjustizmin-, Nr. 5042, 5042/1 und DZA Potsdam, Rk. f. überwach. d. öffentl. Ordnung, Nr. 558, Bl. 180–189; vgl. auch Kapitän Ehrhardt, Schicksal und Abenteuer. Nacherzählt und herausgegeben von Friedrich Freksa, Berlin 1924).
- Auch Schiele hielt sich noch 4 bis 5 Wochen ,,bei befreundeten Familien“ in Deutschland auf (vgl. DZA Merseburg, Rep. 92 Kapp, E II 19, III. 128) und ging dann nach Ungarn (vgl. ebenda, Bl. 127).
- Oberst Bauer war ebenfalls nach Ungarn geflüchtet, wo er enge Beziehungen zu dem faschistischen Horthy-Regime anknüpfte. (Vgl. DZA Potsdam, Vertretung der Reichsregierung in München, Nr. 8, Bl. 179 und LHA Magdeburg, Rep. C 20 Ib Nr. 4788 II, Bl. 195.)
- Jago hatte zunächst auch die Flucht ergriffen, war aber dann nach Deutschland zurückgekehrt, wo ihm gegen Sicherheitsstellung von 500.000 Mark die Untersuchungshaft erspart blieb. Kurz vor dem Prozeß vor dem Reichsgericht im Dezember 1921, war er in Oberstdorf im Allgäu, um sich ,,für den Kampf contra Leipzig“ zu stärken. (Vgl. E II 26, Bl, 201.) Im Dezember 1920 meldete der Oberreichsanwalt, daß die Angeschuldigten ,,alle bis auf v. Wangenheim… flüchtig“ seien. (Vgl. DZA Potsdam, Reichsjustizmin., Nr. 5037, Bl. 181–184). Auch Wangenheim hatte sich noch 3 Wochen nach dem Putsch ,,ganz ungestört“ in Deutschland aufgehalten und war dann auf das Gut seines Schwiegersohnes im polnischen Pommerellen geflüchtet. Durch die polnische Regierung wurde er im Herbst 1920 ausgewiesen und beim Grenzübertritt durch die deutsche Grenzbehörde verhaftet, was nach Wangenheims eigenen Worten ,,in sehr liebenswürdiger Weise geschah“. Nach 10-tägiger Untersuchungshaft in Leipzig wurde er gegen Kaution entlassen und trat erst später wieder als Angeklagter im Jagow-Prozeß in Erscheinung. (Vgl. DZA Merseburg, Rep. 92 Kapp, E II 27, Bl. 251–252 und ebenda E II 19, Bl. 128). Eine hs. Bemerkung Kapps auf dem Aktenfaszikel DZA Merseburg, Rep. 92 Kapp, E II 15, gibt genauere Auskunft über Wangenheims Aufenthalt unmittelbar nach dem Putsch: ,,Wang[enheim] fährt am 17. 3. auf 8 Tage nach Polen, vom 25. 3.–2. 4. Stettin in LWK [Landwirtschaftskammer] d. Prov[inz] Schlg. Gleich nach Ostern auf 4 Wochen nach Reichenhall.“
Bis 1925 waren sämtliche Putschisten entweder amnestiert oder das Verfahren gegen sie war eingestellt. Selbst der einzige Hochverräter, v. Jagow , der 1921 verurteilt worden war, wurde vorfristig aus der fünfjährigen Festungshaft entlassen und befand sich bereits 1924 wieder auf freiem Fuß (vgl. DZA Potsdam, Reichsjustizmin., Nr. 5040, Bl. 148). Kapp war 1922 nach seiner Selbststellung in der Untersuchungshaft in Leipzig an Augen-Tbc verstorben.
„,“in Arbeitereinheit rettet die Republik (1970 , S. 143ff)
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Thema: Kapp-Putsch
Quelle(n): Arbeitereinheit rettet die Republik
(14. 05. 1925)