Bürgerkrieg

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25. April 1924

1924 erschien von Hermann Schützinger ein kleines Buch mit dem Titel „Bürgerkrieg“. Der Verfasser war höherer Polizeioffizier in der staatlichen preußischen Polizei. Sein Ziel ist es, die richtige Strategie und Taktik bei der Bekämpfung von Aufständen, sei es von links oder von rechts zu entwickeln. Für Schützinger ist es selbstverständlich, daß nicht nur die Polizei, sondern auch das Militär im Innern zur ,,Erhaltung des Staates“, der ,,demokratischen Republik“ eingesetzt wird. Wichtig ist Ihm die Frage, nach welchen Grundsätzen der Einsatz erfolgt und seine Stellungnahme geht dahin, daß das nicht die Grundsät-ze des Militärs sein dürfen, die auf Vernichtung des Gegners zielen, sondern ,,die Polizei-Technik und -Taktik“.

Bei Aufständen von links zum Beispiel, argumentiert Schützinger, Ist es keine Kunst, militärisch gegen die rebellierenden Arbeiter vorzugehen; das Ergebnis wird sein, daß sie erst recht Ins Lager der Kommunisten (,,kleine Clique von Narren und Desperados“) getrieben werden. ,,Viel höher steht uns jedoch das Ziel, den Brandherd eines rebellierenden Industriegebietes zu löschen durch die gefühlsmäßige und tatsächliche Trennung der staatstreuen Arbeiterschaft von den antirepublikanischen Kampfgruppen und die Bändigung dieser aktivistischen Reste durch Isolierung und möglichst unblutige Beugung unter Recht und Gesetz.“ Diese Ausführungen, die Verfeinerung der alten ,,RädeIsführer“-Theorie, sind sozusagen die Anfänge der Polizeipsychologie in Deutschland.

Dabei ist es interessant zu sehen, wie die eigentlichen politischen Fragen zu Fragen der psychologisch geschickten Behandlung der Massen werden. Am Beispiel des Arbeiteraufstands von 1920 an der Ruhr (nach Schützinger der bisher einzige Arbeiteraufstand in Deutschland, der bis zum höchsten Stadium kam, nämlich zur Bildung einer geschlossenen Front gegenüber Militär und Polizei): hier seien, so Schützinger, von der militärischen Führung „Fehler“ und „Dummheiten“ gemacht worden, z. B. als der Vormarsch ins Ruhrgebiet vor den vertraglich festgesetzten Terminen begonnen wurde, als Standgerichte eingesetzt wurden, oder auch als zu Beginn des Aufstandes Truppen unter der alten Flagge der Monarchie ins Aufstandsgebiet einmarschierten. Solche „Fehler“ und „Dummheiten“ sollen künftig durch „staatsbürgerliche“ Erziehung von Polizei und Militär vermieden werden.

In gewisser Weise kann Schützinger als Sprachrohr seines obersten Vorgesetzten verstanden werden, eines führenden Sozialdemokraten, der 1919 von den beiden Regierungen des Reiches und des Landes Preußen als politischer Kommissar ins Ruhrgebiet entsandt wurde, und der dann selbst ab 1920 als preußischer Innenminister die von Schützinger formulierten Grundsätze in der staatlichen Polizei praktisch durchsetzte: Carl Severing . 1927 veröffentlichte Severing seine Erinnerungen an seine Tätigkeit im Ruhrgebiet unter dem Titel „1919 / 1920 im Wetter- und Watterwinkel“.

in Erhard Lucas : Märzrevolution im Ruhrgebiet , Band I

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