Am Dienstag den 4. Februar brauste der Kampf um Bremen mit voller Wucht über unsere Stadt dahin. Dieser blutige, vom Lärm der furchtbaren modernen Waffen erfüllte Tag des Bürgerkrieges gehört zu den grauenvollsten in der Geschichte der alten Hansestadt. Am späten Abend des Montag war nochmals eine Deputation aus Bremen, Bremerhavener, Oldenburger und Hamburger Vertreter im Hauptquartier in Verden eingetroffen. Es war jedoch nicht möglich, zu einer Übereinstimmung zu gelangen. Die Deputation kehrte nachts 11 1/2 Uhr nach Bremen zurück mit dem Eindruck, dass die blutige Auseinandersetzung unvermeidlich sei.
Am frühen Morgen setzte sich dann die Division Gerstenberg die die Stadt in einem großen Bogen von allen Seiten eingeschlossen hatte, in Bewegung. Die Truppen standen durchschnittlich in einer Entfernung von etwa 15 Kilometer vom Stadtinneren. Der Aufmarsch vollzog sich etwa in der Linie Arsten – Kattenturm – Moordeich – Kirchhuchting auf dem linken Weserufer und Mahndorf – Borgfeld – Blockland auf dem rechten Ufer. Von Horn her hörte man in den frühen Mogenstunden heftiges Maschinengewehrfeuer, das bald von allen Seiten einsetzte. Sehr bald trat auch Artillerie in Tätigkeit. Der Kampf entbrannte von 10 Uhr an mit voller Wucht.
Auf Seiten der Regierungstruppen focht mit großer Tapferkeit das Bremer Freiwilligenkorps unter Major Caspari. Es langte nach mehrfachen kleineren Gefechten um Elf Uhr bei der Huckelriede an, wo sich ein lebhaftes Feuergefecht entspann. Die Kolonne säuberte dann das ganze linke Weserufer, sicherte so ihre rechte Flanke und rückte so in den Buntentorsteinweg ein. Eine beim Postamt 6 errichtete Barrikade der Arbeiter, die mit Geschütz und Maschinengewehren besetzt war, wurde zusammengeschossen. Um Ein Uhr Mittags stand das Korps an der kleinen Weserbrücke.
Weiter nördlich machte die Division Gerstenberg Fortschritte. Sie war am frühen Nachmittag nahe der Kaiserbrücke. Um Ein Mittags waren die Regierungstruppen in Besitz fast der ganzen Neustadt. In der Stadt hörte man unaufhörlich das geknatter der Gewehre, den Lärm der Maschinengewehre und die Detonationen der Granaten und Handgranaten. Von Osten her zogen die Regierungstruppen gegen 5 Uhr nachmittags in die Ostertorstraße. Sie standen um 5 1/2 Uhr an der Domsheide beim Hauptpostamt.
Auf dem Marktplatz schlagen in kurzen Zwischenräumen Schrapnells aus Minen ein. Die Brücke erhielt einen Volltreffer. Der nördliche Domturm wurde beschädigt, das große Gebäude des kaufmännischen Vereins Union durch 15 Zentimeter-Granaten stark beschädigt. Etwa um 5 1/2 Uhr gelang dem Freiwilligen Korps Caspari der Übergang über die große Weserbrücke und fast gleichzeitig kamen die Regierungstruppen auf dem Marktplatz an. Rathaus und Börse wurden gesäubert. Um 6 1/2 Uhr läuteten die Domglocken zur Feier des Einzuges der Truppen.
Das Parkviertel war gleichzeitig gegen 5 1/2 Uhr im Sturm gesäubert worden. Der Bahnhof wurde von den Regierungstruppen besetzt. Immer aber ging noch der Kampf um die Kaiserbrücke. In dem Gebäude der Sparkasse hatten sich die Arbeiter eingenistet und eröffneten aus allen Stockwerken heftiges Gewehrfeuer auf die Brücke, das von den Regierungstruppen lebhaft erwidert wurde. Maschinengewehr und Artilleriefeuer ging noch stundenlang weiter.
Vom Brill aus unterhielten die Arbeiter zeitweise ein lebhaftes Gewehrfeuer gegen den Straßenzug Hutfilterstraße – Obernstraße, an dessen Ende etwa an der Sögestraße die Regierungstruppen standen. Allmählich aber verkümmerte das Feuer und wurde gegen halb neun Uhr gänzlich eingestellt. Die Arbeiter hatten ihre Stellung an der Kaiserbrücke und in der Sparkasse aufgegeben und zogen sich in die westliche Neustadt zurück. Damit hatte der Kampf einstweilen seinen Abschluss gefunden.
Die bremische Regierung hatte bereits am Mittag die Nutzlosigkeit des Widerstandes eingesehen und um ein Uhr folgende Bekanntmachung durch Extra-Blätter unter den Kämpfenden verbreitet.
„Die Regierung gibt bekannt, dass die Fortsetzung des Kampfes unmöglich ist. Sie gibt infolgedessen den Befehl, das Feuer sofort einzustellen und die Waffen im Rathaus abzugeben.“
Der Rat der Volksbeauftragten
Der Kommandeur: gez. Liby
Schilderung, sicher nicht aus Sicht der Arbeiter, in: „Bremen in der deutschen Revolution“ (1919)
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