Hans Koschnick zum 90. Jahrestag der Bremer Räterepublik
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1. Februar 2009
„Das Volk hungerte und wollte was Neues. Denn sie hatten das Hungern leider lernen müssen in den alten Weisen. Und sie wollten eine andere Struktur im öffentlichen Bereich… Es sollte endlich das passieren, wofür man jahrelang gekämpft hatte. Endlich mal ein Leben, im dem man gleichberechtigt mit anderen leben konnte. Diese Gleichberechtigung wollte man nicht gleich am Anfang delegieren, sondern mindestens die Zeit haben, um das, was neu zu machen war, vorbereitet zu haben, um dann meinetwegen hinterher dem Parlament die Entscheidung zu geben, einen Rechtsstaat aufzubauen, eine Demokratie aufzubauen…
Noske schickte dann Truppen, die er jetzt zur Verfügung hatte, nachdem der Aufstand in Berlin zerschlagen war. Mit Gewalt, mit militärischer Gewalt, also mit alter Gewalt, und mit alten Kräften sollte nun das zerstört werden, was neu aufgekommen war in Bremen. Und zur gleichen Zeit wollte man, ob ausdrücklich befohlen oder indirekt gelöst, doch erreichen, dass möglichst viel von dem Alten erhalten blieb und dem Neuen ein spürbarer Dämpfer gegeben wurde…
Es waren Arbeiter, die sich dagegen gewehrt haben, dass mit militärischer Gewalt eine Republik in ihren Strukturen aufgelöst wurde, die von ihnen getragen und gefordert waren. Es waren Arbeiter, die sich dagegen gewehrt haben, dass die alten Dinge wieder kommen sollten. Es waren Arbeiter, die nicht bereit waren hinzunehmen, dass die Macht von gestern … neue Einflussmöglichkeiten bekam. Sie kämpften und sie verloren. Sie verloren gegen Truppen, die gewohnt waren zu kämpfen – mit der Waffe. Und nicht mit dem, was eigentlich das Ziel war: mit Vernunft, mit dem Geist, mit der Hoffnung, mit der Perspektive, mit der Vision….
Wir haben sie vor 90 Jahren hier begraben. An sie denken wir heute, 90 Jahre hinterher. Sie haben ihr Leben gelassen für eine Idee, über deren Verwirklichung man nicht streiten kann. Über den Weg ganz sicher. Über die Form ganz sicher. Nicht aber, dass endlich einmal erreicht werden sollte, nach jahrzehntelangem Kampf, dass die Menschen, die arbeiteten und die die Grundlage legten für die Existenz des Staates und der Gesellschaft, auch ihren gerechten Anteil, den entscheidenden Anteil bekamen, um die Dinge nach vorwärts zu bringen…
Viel zu lange haben Sozialdemokraten diesen Tag hier nicht entsprechend gewürdigt. Obwohl, und das muss gesagt werden, die Räterepublik getragen war von der USPD und von den früheren radikalen Linken und den späteren Spartakus-Leuten. Obwohl ein Teil der eigenen Mitgliedschaft damals ganz eindeutig für diese Position stand. Sie konnten nicht begreifen, dass von Berlin aus Truppen in Gang gesetzt wurden, um hier einen Versuch zu zerschlagen, der an sich und in der Substanz eine neue Lösung gefunden hätte.
Und deswegen muss man heute deutlich sagen, wenn wir daran denken, es ist auch ein Denken daran, dass wir nicht genügend Mut hatten, nach 1945, die Fragen richtig neu zu behandeln, vielleicht haben wir jetzt die Chance neu darüber nachzudenken.“
Rede von Hans Koschnik zum 90. Jahrestag der Bremer Räterepublik, in. Der Bremer Antifaschist, Zeitung der VVN, Nr.3 März 2009
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