Die Erschießungen im Luitpoldgymnasium in München
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30. April 1919
Im Luitpoldgymnasium in München , das als Kaserne der Roten Armee diente, waren am 26, April die Stenotypistin Hella v. Westarp , der Eisenbahnsekretär Daumenlang , der Freiherr F. W. v. Seydütz , die Kunstmaler Walter Neuhaus und Walter Deiche , endlich der Prinz von Thurn und Taxis als Mitglieder eines „,germanischen Ordens“, auch ,“Thulegesellschaft“ genannt, eingeliefert worden, weil man bei ihnen gefälschte Stempel mit dem Faksimile des Oberkommandanten Eglhofer , Stempel des Vollzugsrates sowie Eisenbahnstempel gefunden hatte, (Aussagen im Prozeß, 11. u, 13. September.)
Auch hatten sich in den Klubräumen Waffenlager befunden. (Aussagen am 8, September,) Am folgenden Tag wurden ferner ein Offizier V, Teuchert und zwei Husaren der Armee v. Oven , Linnenbrügger und Himlorf , als Gefangene eingeliefert. Außerdem befand sich dort der Prof. Berger , weil er ein Plakat der Räteregierung abgerissen hatte, und eine Reihe von Geiseln.
Als immer neue Nachrichten von Erschießungen roter Soldaten kamen, entstand im Lager der Roten große Erregung. Das Infanterieleibregiment forderte den Oberkommandanten Eglhofer auf, als Repressalie seinerseits Gefangene zu erschießen. Am 30. April erhielt Fritz Seidel, der Kommandant des Luitpoldgymnasiums, angeblich hierzu den Befehl von Eglhofer, Doch hat Eglhofer selbst noch am gleichen Tage dies ausdrücklich bestritten.
Zuerst wurden unter Leitung Schickelhofers und Kammerstädters die zwei Husaren erschossen. Dabei beteiligten sich Wiedl und Josef Seidl . Gleich darauf brachten Kick und Pürzer den schriftlichen Befehl Eglhofers zu weiteren Erschießungen. Hesselmann , Gsell und Haußmann beteiligten sich an der Auswahl der zu Erschießenden. Der Professor Berger schloß sich aus Mißverständnis dem abgeführten Trupp an. Seidl zitterte am ganzen Körper vor Aufregung und hatte jede Herrschaft über seine Soldaten verloren. Er konnte sie in ihrer Wut nicht mehr zurückhalten.
Die Gefangenen wurden einzeln abgeführt und zwischen 4 und 5 Uhr nachmittags an die Wand gestellt und an einem Misthaufen von den aufgestellten 8 bis 10 Schützen durch Gewehrsalven auf das Kommando „Legt an, Feuer“ erschossen. Als Thurn und Taxis seine Unschuld beteuerte, wurde er nochmals in die Kanzlei geführt und nach Wiederholung des Befehls erschossen. Hannes, Lermer und Riedmayer beteiligten sich an der Aufstellung (nach der Urteilsbegründung), Fehmer und Pürzer an der Erschießung. So kamen zehn Menschen um. Doch befand sich unter den Erschossenen, wie aus der mir vorliegenden beglaubigten Abschrift der Urteilsbegründung hervorgeht, keine Geisel.
Haußmann. der verantwortlich war, beging am Abend der Erschießungen Selbstmord. Eglhofer wurde nach seiner Gefangennahme am 3. Mai in der Residenz ohne Urteil erschossen. Seidel und Schickelhofer wurden wegen je zweier Verbrechen des Mordes zweimal zum Tode verurteilt. Wiedl, Pürzer, Fehmer und Josef Seidl wurden wegen je eines Mordes zum Tode verurteilt. Kick, Gsell, Hesselmann, Lermer, Hannes, Huber und Riedmayer wurden wegen Beihilfe zu je 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. (Vorsitzender Oberlandesgerichtsrat Aull.) Die Todesstrafen wurden am nächsten Tage vollstreckt. (Eingehende Prozeßberichte in -den ,,Münchener Neuesten Nachrichten“, 1.–19. September 1919.)
In einem zweiten Prozeß wurde auch Kammerstädter zum Tode verurteilt und das Urteil am nächsten Tag vollstreckt. (15. Oktober 1919.) Ferner wurden L. Debus, A. Strelenko und R. Greiner zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, „weil sie den Mord gefördert haben, indem sie eventuell bereit waren, selbst zu schießen“. (Urteilsbegründung in den ,,Münchener Neuesten Nachrichten“, 14. Oktober 1919.) Im 3. Geiselmordprozeß wurde am 12. Juni 1920 Ferdinand Rotter zu 7 Jahren Zuchthaus und Heinrich Walleshauser (17 Jahre alt) zum Tode verurteilt. Die Todesstrafe wurde vollstreckt.
in: Vier Jahre politischer Mord , von Emil Julius Gumbel , eine Broschüre, in denen der Autor der Justiz etwa 300 ungesühnte politische Morde – in der Regel von rechts – in den Jahren 1918-1920 nachweist, veröffentlicht 1922: „Die höchste zuständige Stelle, der Reichsjustizminister, hat meine Behauptungen mehrmals ausdrücklich bestätigt. Trotzdem ist nicht ein einziger Mörder bestraft worden. “ –
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Thema: Münchener Räterepublik, Novemberrevolution 1918/19
Quelle(n): Vier Jahre politischer Mord
(30. 04. 1919)
Schlagwort: linker Terror |