Der schwäbisch-fränkische Bauernkrieg

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24. April 1530

Von Neckargartach aus unterstützte der Truchseß durch einen Einfall in den Kraichgau die Operationen des Kurfürsten von der Pfalz. Dieser, der inzwischen Truppen gesammelt, brach auf die Nachricht von den Erfolgen des Truchseß sofort den Vertrag mit den Bauern, überfiel am 23. Mai den Bruchrain, nahm und verbrannte Malsch nach heftigem Widerstande, plünderte eine Anzahl von Dörfern und besetzte Bruchsal. Zu gleicher Zeit überfiel der Truchseß Eppingen und nahm den dortigen Chef der Bewegung, Anton Eisenhut, gefangen, den der Kurfürst nebst einem Dutzend anderer Bauernführer sogleich hinrichten ließ. Der Bruchrain und Kraichgau waren hiermit pazifiziert und mußten gegen 40.000 Gulden Brandschatzung zahlen. Die beiden Heere des Truchsessen – auf 6.000 Mann reduziert durch die bisherigen Schlachten – und des Kurfürsten (6.500 Mann) vereinigten sich nun und zogen den Odenwäldern entgegen.

Die Nachricht von der Böblinger Niederlage hatte überall Schrecken unter den Insurgenten verbreitet. Die freien Reichsstädte, soweit sie unter die drückende Hand der Bauern geraten waren, atmeten plötzlich wieder auf. Heilbronn war die erste, die zur Versöhnung mit dem Schwäbischen Bund Schritte tat. In Heilbronn saßen die Bauernkanzlei und die Delegierten der verschiedenen Haufen, um die Anträge zu beraten, die im Namen sämtlicher Insurgierten Bauern an Kaiser und Reich gestellt werden sollten. In diesen Verhandlungen, die ein allgemeines, für ganz Deutschland gültiges Resultat haben sollten, stellte sich abermals heraus, wie kein einzelner Stand, auch der der Bauern nicht, weit genug entwickelt war, um von seinem Standpunkt aus <392> die gesamten deutschen Zustände neu zu gestalten.

Es zeigte sich sogleich, daß man zu diesem Zweck den Adel und ganz besonders die Bürgerschaft gewinnen mußte. Wendel Hipler bekam hiermit die Leitung der Verhandlungen in seine Hände. Wendel Hipler erkannte von allen Führern der Bewegung die bestehenden Verhältnisse am richtigsten. Er war kein weitgreifender Revolutionär wie Münzer, kein Repräsentant der Bauern wie Metzler oder Rohrbach. Seine vielseitige Erfahrung, seine praktische Kenntnis der Stellung der einzelnen Stände gegeneinander verhinderte ihn, einen der in der Bewegung verwickelten Stände gegen die andern ausschließlich zu vertreten. Gerade wie Münzer, als Repräsentant der ganz außer dem bisherigen offiziellen Gesellschaftsverband stehenden Klasse, der Anfänge des Proletariats, zur Vorahnung des Kommunismus getrieben wurde, geradeso kam Wendel Hipler, der Repräsentant sozusagen des Durchschnitts aller progressiven Elemente der Nation, bei der Vorahnung der modernen bürgerlichen Gesellschaft an.

Die Grundsätze, die er vertrat, die Forderungen, die er aufstellte, waren zwar nicht das unmittelbar Mögliche, sie waren aber das, etwas idealisierte, notwendige Resultat der bestehenden Auflösung der feudalen Gesellschaft; und die Bauern, sobald sie sich darangaben, für das ganze Reich Gesetzentwürfe zu machen, waren genötigt, darauf einzugehn. So nahm die Zentralisation, die von den Bauern gefordert wurde, hier in Heilbronn eine positivere Gestalt an, eine Gestalt, die von der Vorstellung der Bauern über sie indes himmelweit verschieden war. So wurde sie z.B. in der Herstellung der Einheit von Münze, Maß und Gewicht, in der Aufhebung der inneren Zölle etc. näher bestimmt, kurz, in Forderungen, die weit mehr im Interesse der Städtebürger als der Bauern waren. So wurden dem Adel Konzessionen gemacht, die sich den modernen Ablösungen bedeutend nähern und die auf die schließliche Verwandlung des feudalen Grundbesitzes in bürgerlichen hinausliefen. Kurz, sobald die Forderungen der Bauern zu einer „“Reichsreform““ zusammengefaßt wurden, mußten sie sich nicht den momentanen Forderungen, aber den definitiven Interessen der Bürger unterordnen.

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