Wie Müntzers Religionsphilosophie an den Atheismus, so streifte sein politisches Programm an den Kommunismus, und mehr als eine moderne kommunistische Sekte hatte noch am Vorabend der Februarrevolution über kein reichhaltigeres theoretisches Arsenal zu verfügen als die „Münzerschen“ des sechzehnten Jahrhunderts. Dies Programm, weniger die Zusammenfassung der Forderungen der damaligen Plebejer als die geniale Antizipation der Emanzipationsbedingungen der kaum sich entwickelnden proletarischen Elemente unter diesen Plebejern – dies Programm forderte die sofortige Herstellung des Reiches Gottes, des prophezeiten Tausendjährigen Reichs auf Erden, durch Zurückführung der Kirche auf ihren Ursprung und Beseitigung aller Institutionen, die mit dieser angeblich urchristlichen, in Wirklichkeit aber sehr neuen Kirche in Widerspruch standen.
Unter dem Reich Gottes verstand Münzer aber nichts anderes als einen Gesellschaftszustand, in dem keine Klassenunterschiede, kein Privateigentum und keine den Gesellschaftsmitgliedern gegenüber selbständige, fremde Staatsgewalt mehr bestehen. Sämtliche bestehende Gewalten, sofern sie nicht sich fügen und der Revolution anschließen wollten, sollten gestürzt, alle Arbeiten und alle Güter gemeinsam und die vollständigste Gleichheit durchgeführt werden. Ein Bund sollte gestiftet werden, um dies durchzusetzen, nicht nur über ganz Deutschland, sondern über die ganze Christenheit; Fürsten und Herren sollten eingeladen werden, sich anzuschließen; wo nicht, sollte der Bund sie bei der ersten Gelegenheit mit den Waffen in der Hand stürzen oder töten.
Münzer setzte sich gleich daran, diesen Bund zu organisieren. Seine Predigten nahmen einen noch heftigeren, revolutionäreren Charakter an; neben den Angriffen auf die Pfaffen donnerte er mit gleicher Leidenschaft gegen die Fürsten, den Adel, das Patriziat, schilderte er in glühenden Farben den bestehenden Druck und hielt dagegen sein Phantasiebild des Tausendjährigen Reichs der sozial-republikanischen Gleichheit. Zugleich veröffentlichte er ein revolutionäres Pamphlet nach dem andern und sandte Emissäre nach allen 3 Richtungen aus, während er selbst den Bund in Allstedt und der Umgegend organisierte.
Die erste Frucht dieser Propaganda war die Zerstörung der Marienkapelle zu Mellerbach bei Allstedt , nach dem Gebot: „Ihre Altäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen und ihre Götzen mit Feuer verbrennen, denn ihr seid ein heilig Volk“ (Deuteronomium (5. Buch Mose) 7,5-6). Die sächsischen Fürsten kamen selbst nach Allstedt, um den Aufruhr zu stillen, und ließen Münzer aufs Schloß rufen. Dort hielt er eine Predigt, wie sie deren von Luther, „dem sanftlebenden Fleisch zu Wittenberg“, wie Münzer ihn nannte, nicht gewohnt waren.
Er bestand darauf, daß die gottlosen Regenten, besonders Pfaffen und Mönche, die das Evangelium als Ketzerei behandeln, getötet werden müßten, und berief sich dafür aufs Neue Testament. Die Gottlosen hätten kein Recht zu leben, es sei denn durch die Gnade der Auserwählten. Wenn die Fürsten die Gottlosen nicht vertilgen, so werde Gott ihnen das Schwert nehmen, denn die ganze Gemeinde habe die Gewalt des Schwerts. Die Grundsuppe (alter Kraftausdruck; Inbegriff alles Schlechten) des Wuchers, der Dieberei und Räuberei seien die Fürsten und Herren; sie nehmen alle Kreaturen zum Eigentum, die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden.
Und dann predigen sie gar noch den Armen das Gebot: Du sollst nicht stehlen, sie selber aber nehmen, wo sie´s finden, schinden und schaben den Bauer und den Handwerker; wo aber dieser am Allergeringsten sich vergreife, so müsse er hängen, und zu dem allen sage dann der Doktor Lügner: Amen.
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„Die Herren machen das selber, daß ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht wegtun, wie kann es in die Länge gut werden? Ach, liebe Herren, wie hübsch wird der Herr unter die alten Töpfe schmeißen mit einer eisernen Stange! So ich das sage, werde ich aufrührisch sein. Wohl hin!“ (Vgl. Zimmermann, „Bauernkrieg“, II, S. 75)
Münzer ließ die Predigt drucken; sein Drucker in Allstedt wurde zur Strafe vom Herzog Johann von Sachsen gezwungen, das Land zu verlassen, und ihm selbst wurde für alle seine Schriften die Zensur der herzoglichen Regierung zu Weimar auferlegt. Aber diesen Befehl achtete er nicht. Er ließ gleich darauf eine höchst aufregende Schrift in der Reichsstadt Mühlhausen drucken, worin er das Volk aufforderte,
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„das Loch weit zu machen, auf daß alle Welt sehen und greifen möge, wer unsre großen Hansen sind, die Gott also lästerlich zum gemalten Männlein gemacht haben“, und die er mit den Worten beschloß: „Die ganze Welt muß einen großen Stoß aushalten; es wird ein solch Spiel angehn, daß die Gottlosen vom Stuhl gestürzt, die Niedrigen aber erhöhet werden.“
Als Motto schrieb „Thomas Münzer mit dem Hammer“ auf den Titel:
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„Nimm wahr, ich habe meine Worte in deinen Mund gesetzt, ich habe dich heute über die Leute und über die Reiche gesetzt, auf daß du auswurzlest, zerbrechest, zerstreuest und verstürzest, und bauest und pflanzest. Eine eiserne Mauer wider die Könige, Fürsten, Pfaffen und wider das Volk ist dargestellt. Die mögen streiten, der Sieg ist wunderlich zum Untergang der starken gottlosen Tyrannen.“
in: „Friedrich Engels: Der deutsche Bauernkrieg“ – geschrieben im Sommer 1850, zuerst in: „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue“, Fünftes und Sechstes Heft, Mai bis Oktober 1850, von Friedrich Engels zuletzt bearbeitet 1875.
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Thema: Bauernkriege
Quelle(n): Der deutsche Bauernkrieg, Neue Rheinische Zeitung
(02. 05. 1525)