Der Bundschuh

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2. Mai 1493

Dieselbe Teurung, die in den Niederlanden den Aufstand der Bauern hervorgerufen hatte, brachte 1493 im Elsaß einen geheimen Bund von Bauern und Plebejern zustande, bei dem sich auch Leute von der bloß bürgerlichen Opposition beteiligten und mit dem sogar ein Teil des niederen Adels mehr oder weniger sympathisierte. Der Sitz des Bundes war die Gegend von Schlettstadt, Sulz, Dambach, Rosheim, Scherweiler etc. etc. Die Verschwornen verlangten Plünderung und Ausrottung der Juden, deren Wucher damals schon, so gut wie jetzt, die Elsässer Bauern aussog, Einführung eines Jubeljahres, mit dem alle Schulden verjähren sollten, Aufhebung des Zolls, Umgelds und anderer Lasten, Abschaffung des geistlichen und rottweilschen (Reichs-)Gerichts, Steuerbewilligungsrecht, Beschränkung der Pfaffen auf je eine Pfründe von 50-60 Gulden, Abschaffung der Ohrenbeichte und eigene, selbstgewählte Gerichte für jede Gemeinde.

Der Plan der Verschwornen war, sobald man stark genug sei, das feste Schlettstadt zu überrumpeln, die Klöster- und Stadtkassen mit Beschlag zu belegen und von hier aus das ganze Elsaß zu insurgieren. Die Bundesfahne, die im Moment der Erhebung entfaltet werden sollte, enthielt einen Bauernschuh mit langen Bindriemen, den sogenannten Bundschuh , der von nun an den Bauernverschwörungen der nächsten 20 Jahre Symbol und Namen gab.

Die Verschwornen pflegten ihre Zusammenkünfte des Nachts auf dem einsamen Hungerberg zu halten. Die Aufnahme in den Bund war mit den geheimnisvollsten Zeremonien und den härtesten Strafandrohungen gegen die Verräter verknüpft. Aber trotzdem kam die Sache aus, gerade als der Schlag gegen Schlettstadt geführt werden sollte, um die Karwoche 1493. Die Behörden schritten schleunig ein; viele der Verschwornen wurden verhaftet und gefoltert, und teils gevierteilt oder enthauptet, teils an Händen und Fingern verstümmelt und des Landes verwiesen. Eine große Zahl floh nach der Schweiz.

Aber mit dieser ersten Sprengung war der Bundschuh keineswegs vernichtet. Im Gegenteil, er bestand im geheimen fort, und die vielen über die Schweiz und Süddeutschland zerstreuten Flüchtlinge wurden ebenso viele Emissäre, die, überall mit dem gleichen Druck die gleiche Neigung zum Aufstand vorfindend, den Bundschuh über das ganze jetzige Baden verbreiteten. Die Zähigkeit und Ausdauer, mit der die oberdeutschen Bauern von 1493 an dreißig Jahre lang konspirierten, mit der sie alle aus ihrer ländlich-zerstreuten Lebensweise hervorgehenden Hindernisse einer größeren, zentralisierten Verbindung überwanden und nach unzähligen Sprengungen, Niederlagen, Hinrichtungen der Führer immer von neuem wieder konspirierten, bis endlich die Gelegenheit zum Aufstand in Masse kam – diese Hartnäckigkeit ist wirklich bewundernswert.

in: „Friedrich Engels: Der deutsche Bauernkrieg“ – geschrieben im Sommer 1850, zuerst in: „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue“, Fünftes und Sechstes Heft, Mai bis Oktober 1850, von Friedrich Engels zuletzt bearbeitet 1875.

 

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