Brennende Ruhr – Vorwort

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13. März 1928

Karl Grünberg (1891 – 1972) schreibt 1948 im Nachwort zur 2. Auflage zu seinem Roman „“Brennende Ruhr““: Dieses viel umstrittene Buch bedarf bei seiner zweiten Auflage — zwanzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen — einiger Erläuterungen.

Als ich im Jahre 1927 meinen Erstlingsroman „“Brennende Ruhr““ zu schreiben begann, lag mir literarischer Ehrgeiz durchaus fern. Mir kam es vor allem darauf an, revolutionshistorisches Material zu sammeln, zu fixieren und zusammen mit den daraus resultierenden Erfahrungen an diejenigen weiterzureichen, welche nach uns einmal das Banner aufnehmen werden. Daß ich die Form des Romans wählte, hatte mehrere Gründe. Vor allem hoffte ich, auf diese Weise der Zensur zu entgehen. Wenn mir das auch gelang, so wurde die Reaktion doch hellhörig. In der Folgezeit verfielen zahlreiche belletristische Werke dem Zensor. Man kann gar nicht oft genug diese Verhältnisse in der Weimarer Republik — jener Republik mit der „“freiesten Verfassung der Welt““ — brandmarken, denn heute wollen viele diese Tatsachen nicht mehr wahrhaben.

Mein zweiter Grund entsprang einer Beobachtung, die man auch, heute überall anstellen kann. Rein abstrakt-politische Bücher lassen die Leser oft kalt; leicht bleiben sie ungelesen liegen. Durch eine Erzählung lassen sich die Massen aber viel eher an die politischen Probleme heranführen. Ein fesselnd geschriebenes Buch, das dem Leser gestattet, mit Romanfiguren, die ihm ähnlich sind, zu leben, zu lieben und zu leiden, kann ihn auch veranlassen, mit seinen Helden gemeinsam zu kämpfen und zu sterben . . . Auf dieser Tatsache beruht die Anwendung der „“Kunst als Waffe““ im politischen Tageskampf. Daß auch die schön-geistige Literatur eine solche „“Waffe““ sein kann, wird leider noch viel zu oft übersehen.

Die „“Brennende Ruhr““ war wohl der erste Roman, der sich bewußt mühte, dieser Erkenntnis auf der Arbeiterseite Rechnung zu tragen. Es kam, wie vorauszusehen war. Die sogenannten „“Ästheten““ waren schwer schockiert über diesen neuerlich „“primitiven Beweis entarteter Kunst““. Wohl beurteilten einige namhafte Schriftsteller, wie Thomas Mann, Dr. Werner Marholz, Professor Paul Östreich und andere mehr, dieses Buch sehr positiv; die große Mehrzahl aber zog sich voll schweigender Verachtung in ihren geschändeten Elfenbeinturm zurück. Einer aber fühlte sich berufen, die Leiter hinter diesen Ästheten hochzuziehen. Mit sehr viel Druckerschwärze — eine halbe Seite des Großformats der „“Frankfurter Zeitung““ wurde bemüht — machte er den Versuch, dem „“literarischen Plebejer““ den Rest zu geben. Dieser unverhältnismäßig große Aufwand eines Herrn Erik Reger hat sich nicht gelohnt; die „“Brennende Ruhr““ wurde von diesem Luftzug nicht ausgeblasen.

Im Jahre 1928 schrieb zum Erscheinen der „“Brennenden Ruhr““ der Dichter Johannes R. Becher: „“Die Ruhr brennt, dieser Ruf war, wird wieder sein!““ — Heute ist dieser Alarmruf wieder da, gellender und dringender denn je. Dieselben Monopolkapitalisten, die damals den Kapp-Putsch, das erste Vorpostengefecht des Faschismus, finanzierten, sind jetzt wieder (oder noch!) am Werke, um aus dem Brand an der Ruhr ein neues Weltumfassendes Flammenmeer zu entfachen. Allein schon diese Tatsache rechtfertigt in vollem Maße die Neuauflage eines Buches, das das „“Hohelied der demokratischen Einheitsfront gegen den Faschismus singt. Diejenigen, für die es geschrieben worden war, haben es gelesen, verstanden und auch ihre Lehren daraus gezogen. Schon die Vorabdrucke in der Arbeiterpresse brachten dem Verfasser Hunderte von begeisterten Zuschriften. — „“In diesem Buch ist zu viel geschichtliche Wahrheit, um nur als Roman angesprochen zu werden““, schrieb einer. Ein anderer sagte: „“Ich focht damals leider auf der Seite der Kappisten mit, aber ich muß gestehen, daß die geschilderten Übergriffe der Reichswehr noch hinter der Wirklichkeit zurückbleiben!““

Da mich fast alle Einsender für einen ehemaligen Ruhrkämpfer halten, bin ich hier eine Berichtigung schuldig: Ich war weder Bergarbeiter, noch habe ich beim Kapp-Putsch an der Ruhr mitgekämpft. Auch den Schauplatz der Handlung habe ich vor der Niederschrift kaum gekannt. Eindrücke, die ich von der Bahn aus gewann, als ich durch das Industriegebiet fuhr, Beobachtungen, die ich auf arbeitsreichen Verbandstagungen in Hamborn und Essen machte, ferner das, was ich in Büchern fand . . . das war eigentlich alles, was ich über Land und Leute im „“Kohlenpott““ wußte. Noch mühsamer mußte ich die militärischen und politischen Details zusammensuchen. Weil es darüber nur sehr wenige Quellen gab, war ich im wesentlichen auf das Wälzen alter Zeitungsbände angewiesen.

Als ich im Frühjahr 1943 zur Luftschutzpolizei (Feuerwehr) nach Essen eingezogen wurde, lernte ich zum erstenmal den historischen Schauplatz meines Romans gründlicher kennen. Da stand die Ruhr allerdings in des Wortes wahrster Bedeutung an allen Ecken und Enden in Flammen. Und warum? Weil das werktätige deutsche Volk infolge seiner inneren Spaltung im Jahre 1920 nicht in der Lage gewesen war, den faschistischen Brandherd gründlich auszutreten. Um dieses schicksalsschwere Versäumnis spielt mein Roman „“Brennende Ruhr““. Es ist deshalb auch kein Zufall, daß er schon damals das starke Mißvergnügen der Soldschreiber der „“Union der festen Hand und der eisernen Stirn““ fand.

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