Belegschaftsversammlung der Zeche Werne
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1. Januar 1918
Polizei-Verwaltung Pelkum, den I. Februar 1918
Bericht über den Verlauf der öffentlichen Belegschaftsversammlung der Zeche Werne , Schacht III, vom l. Februar 1918 im Lokal des Wirtes Knobloch in Rünthe , Veranstalter: Bergmann Wilhelm Schwan. Leiter: derselbe.
Tagesordnung: Lohnfrage und Lebensmittelfrage. Anfang um 11.15 Uhr vormittags. Schluß um 1.15 Uhr nachmittags. Zahl der Teilnehmer (schätzungsweise) bei Beginn, Männer: 500, am Schluß 500. Frauen: bei Beginn 100, am Schluß 100.
Ats Hauptredner ist aufgetreten Arbeitersekretär Osterroth aus Hamm .
Die Versammlung wurde durch den Leiter mit einem Glück-Auf eröffnet. Sodann führte er aus, daß das Ergebnis der Kommission, die gestern bei der Zechenverwaltung in Werne vorstellig geworden sei, gleich Null wäre. Es wäre auch nicht das geringste erzielt worden.Wenn die Zeche nicht wolle, dann müsse man sich selbst helfen. Hierbei erwähnte er den Widerspruch: ,,Bist du Gottessohn, so hilf dir selbst.“ Er kam dann auf die Lebensumstände und Begleichung zu sprechen und brachte zum Ausdruck, daß viele hunderte von Familien hungernd herumliefen. Die Kleidungsstücke, Wasche und dergleichen seien so teuer, daß sich ein Bergmann von den niedrigen Löhnen nichts kaufen könnte. Es müsse unbedingt eine Kommission bei dem Herrn Landrat vorstellig werden und diese Mißstände unbeschönigt vorbringen. Er habe eher das Gefühl, daß diese Kommission auch nicht mehr bezwecken werde wie die gestrige und das angestrebte Ziel nicht erreicht würde. Hierauf entstand ein allgemeiner Meinungsaustausch und es wurde in Diskussion eingetreten.
Bergmann Kirmse behauptet, daß einzig nur die Überschichten; die von einzelnen Bergleuten immer wieder verfahren würden, schuld daran trügen, daß die Kommission gestern so glatt abgespeist worden sei. Bergmann Dieghel bemängelte den Lohn und meinte, der Bergmann könne damit nicht auskommen. Die Löhne müßten unter allen Umstanden steigen, denn die Lebensmittel und alle anderen Gebrauchsgegenstände des täglichen Gebrauchs stiegen ja auch von Tag zu Tag im Preise höher. Bergmann Schwan schlägt vor, solange zu streiken, bis die Regierung andere Maßnahmen trifft (Allgemein Beifall). Bergmann Albrecht führt aus, er habe schon seit 8 Tagen mit seiner Familie nur von Kartoffeln und Salz gelebt. Er würde nächstens eine Einladung an den Minister und an den Gemeindevorsteher in Rünthe ergehen lassen und sie auffordern, bei ihm am Mittagstisch teilzunehmen (allgemeines Bravo).
Alle Bergleute, die weiter noch zum Wort kamen, beklagten sich hauptsächlich über die wenigen Lebensmittel und den zu niedrigen Lohn. Der Bergmann Grunenberg schilderte im allgemeinen den Empfang, welcher der Kommission gestern von seiten des Betriebsinspektor Förster und dem Hauptmann vom stellvertretenden Generalkommando zuteil geworden ist. Dieser Empfang sei nicht dazu geeignet gewesen, die Arbeiter zu befriedigen und zu beruhigen. Nach der allgemeinen Diskussion ergriff der Arbeitersekretär Osterroth das Wort und führte aus: Er kenne die Beschwerden der Bergleute zu genüge, und wisse auch, daß diese berechtigt seien. Aber trotzdem müsse er vom Weiterstreiken unbedingt abraten. Die Fortsetzung des Streikes habe absolut keinen Zweck. Eins stände aber fest, daß die Lebensmittelfrage anders geregelt werden müsse als bisher. Der Regierung, den Landratsämtern usw. müßte doch endlich der Seifensieder aufgehen, daß die Arbeiter nur durch die bittere Not zu solchen Schritten getrieben würden. Die oberen Behörden müßten doch endlich emsehen, daß das nicht so weitergehen könnte. Die Produktion müßte auf den letzten Kartoffeln erfaßt werden. Ebenso müßte der Schleichhandel energisch bekämpft werden.
Andererseits müßten aber die Bergleute auch bedenken, daß wir durch die Blockade von seiten Englands vollständig von der Welt abgeschnitten und nur auf eigene Erzeugung angewiesen seien. Hieran könnten selbst die oberen Behörden nichts ändern. Das alles, was im Frieden vom Ausland her hereingekommen sei, komme jetzt in Wegfall und fehle selbstverständlich. Er forderte die Bergleute auf, die Arbeit heute noch geschlossen wieder aufzunehmen. Nach einigem hin und her wurde dann die Forderung des Arbeitersekretärs angenommen und beschlossen, daß eine Kommission bei dem Herrn Landrat in Hamm vorstellig werde und die Lebensmittelfrage mit den zur Zeit bestehenden Mißständen besprechen sollen. Hierauf wurde die Versammlung geschlossen. Die Stimmung der Bergleute war keine gute.
gez. Schütz, Pol. Wachtmeister
Bericht Belegschaftsversammlung der Zeche Werne, Polizeiwachtmeister Schütz, 1.2.1918
in: STAH Bestand Pelkum B1-32
Thema: Erster Weltkrieg, Vorgeschichte Novemberrevolution
Quelle(n): Die Schlacht bei Pelkum
(01. 01. 1918)
Schlagwort: Soziale Lage |