Die Revolution begann am 3. November 1918 mit dem bewaffneten Aufstand der Matrosen in Kiel. Am 31. Oktober nachts war das III. Geschwader der Hochseeflotte nach Kiel zurückgekehrt. Noch vor dem Einlaufen in den Hafen hatte der Chef des Geschwaders, Admiral Kraft, erneut revolutionäre Matrosen verhaften lassen. Die Erbitterung der Matrosen wuchs weiter an.
Am 1. November traten im Kieler Gewerkschaftshaus Vertrauensmänner der Matrosen zusammen. Sie entsandten Abordnungen auf die Schiffe, die von den Kommandanten forderten, die Verhafteten sofort freizulassen. Die Matrosen wurden brüsk abgewiesen. Die Offiziere wollten nicht verhandeln, sondern die Bewegung mit drakonischen Maßnahmen niederwerfen. Daraufhin beschlossen die Vertrauensmänner, am nächsten Tag erneut zusammen zu kommen, um über die jetzt notwendigen Schritte zu beraten.
Die Militärbehörden leiteten rigorose Maßnahmen ein, um den offenen Ausbruch der revolutionären Bewegung und ihr übergreifen auf die in Kiel befindlichen Truppen und die Arbeiterschaft zu verhindern. Die Soldaten durften die Kasernen nicht verlassen. Die Kieler Marineinfanterie wurde in Alarmbereitschaft versetzt, bewaffnete Patrouillen durchzogen die Straßen der Stadt. Doch schon am Nachmittag des 2. November weigerte sich die 1. Kompanie des I. Seebataillons, gegen Matrosenansammlungen vorzugehen. Auch in der 2. Kompanie des I. Ersatzseebataillons kam es zu Gehorsamsverweigerungen.
Am 2. November versammelten sich die Vertrauensmänner auf dem großen Exerzierplatz. Nach einer Ansprache des Oberheizers Karl Artelt beschlossen sie, für den nächsten Tag zu einer großen Protestversammlung aufzurufen. Artelt war Mitglied der USPD und gehörte im Februar 1919 zu den Mitbegründern der KPD in Magdeburg. Werftarbeiter, die an der Kundgebung teilnahmen, bekundeten ihre Solidarität mit den Matrosen und Heizern. In der Nacht zum 3. November stellten revolutionäre Arbeiter und Matrosen kleine Handzettel mit dem Aufruf zum Kampf her. In ihm hieß es: „Kameraden, schießt nicht auf eure Brüder! Arbeiter, demonstriert in Massen, laßt die Soldaten nicht im Stich!“
Über die Ereignisse am 3. November schreibt Artelt in seinen Erinnerungen:
„Hornisten und Alarmpatroiiillen durchzogen die Straßen Kiels und forderten alle Marineangehörigen auf, zu ihren Truppenteilen zurückzukehren. Keiner befolgte diese Anordnung. Wir nutzten den Alarm der Kommandantur sogar für unsere eigenen Zwecke aus, indem wir kurz nach den Hornisten ebenfalls durch die Straßen zogen und die Soldaten aufforderten, sich an der Volkskundgebung zu beteiligen. Viele Soldaten und Einwohner strömten zur Kundgebung. Der Exerzierplatz auf der Waldwiese war voller Menschen.“
Karl Artelt eröffnete die Kundgebung und rief die Matrosen, Arbeiter und Soldaten zum entschlossenen Handeln auf. Als der sozialdemokratische Gewerkschaftsführer Gustav Garbe vorschlug, mit den Aktionen noch zu warten, unterbrachen die Versammelten seine Rede und zwangen ihn zum Abtreten. Andere Redner forderten entschieden die Freilassung der verhafteten Matrosen. Die Vertreter der Werftarbeiter solidarisierten sich mit den Matrosen. Einstimmig faßten die Versammelten den Beschluß, durch die Straßen Kiels zu demonstrieren.
Mehrere tausend Menschen zogen durch die Straßen der Stadt zur Marinearrestanstalt in der Feldstraße. Unterwegs schlossen sich ihnen Soldaten aus den Kasernen an. Militärpatrouillen wurden entwaffnet. Hochrufe auf die Internationale und die deutsche Republik lösten Begeisterungsstürme aus, die Forderung „Weg mit dem Kaiser!“ fand lebhafte Zustimmung. An der Ecke Brunswiker- und Karlstraße stieß der Zug plötzlich auf eine starke Postenkette. Die Soldaten eröffneten das Feuer auf die Demonstranten. Acht Demonstranten wurden getötet, 29 verwundet. Unter den Opfern befanden sich auch Frauen und Kinder. Die Schüsse auf die friedliche Demonstration zeigten den Matrosen, daß sie ihre Forderungen nur mit der Waffe in der Hand durchsetzen konnten.
in: Illustrierte Geschichte der Novemberrevolution
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