Vizewachtmeister Marcus

Startseite » Novemberrevolution 1918/19 »

12. März 1919

Vizewachtmeister Marcus vom Freikorps Lützow hatte am 12. März Befehl, die Langestraße abzusperren. Er schritt mit 25 Mann die Straße ab und rief laut ,,Straße frei, Fenster zu!“ Angeblich ist dieser Befehl nicht beachtet worden. Unter anderem sah er aus dem Fenster eines Hauses eine weibliche Gestalt auf die Straße 22 heruntersehen. Angeblich hat er darauf auf ein daneben befindliches blindes Fenster geschossen, aber das offene Fenster getroffen. Durch diesen Schuß wurde die zwölfjährige Schülerin Slovek getötet. Ein anderes Mädchen, Erwine Dahle, erhielt einen Herzschuß, als es aus einem Schlächterladen trat. Der 73 jährige Fliesenleger Karl Becker ist durch einen Kopfschuß getötet worden. Auf die gleiche Weise kamen dann noch drei Menschen um, die nicht die geringste Beziehung zu den damaligen Unruhen hatten.

Ursprünglich war gegen Marcus ein Verfahren wegen sechsfachen Mordes eingeleitet. Doch wurde dies eingestellt. Dagegen wurde er wegen vorsätzlicher, nicht mit Ueberlegung begangener Tötung von zwei Menschen vor dem Schwurgericht angeklagt. Bei der Verhandlung am 21. und 22. Januar 1921 (Verhandlungsbericht im ,,Vorwärts“ vom 25.) berief Marcus sich auf die Befehle seiner Vorgesetzten und wurde von den als Zeugen vernommenen Offizieren zum Teil gedeckt. Marcus wurde wegen Totschlags freigesprochen, wegen einiger Unterschlagungen zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Gegen die Offiziere, die solche Befehle gegeben haben, wurde kein Verfahren eingeleitet.

Der Eisenbahnarbeiter Alfred Musick wurde am 12. März 1919 in seiner Wohnung nach einer ergebnislosen Haussuchung durch Soldaten des Freikorps Lüttwitz verhaftet und nach der Andreasschule transportiert. Oberleutnant Wecke ließ ihn mit vier anderen abtransportieren. Die Fünf wurden beim Passieren der Schillingsbrücke angeschossen und ins Wasser geworfen. (Aussagen der Begleitmannschaft : ,,Die Fünf schwimmen schon.“)

Musick konnte sich schwerverletzt durch Schwimmen retten, wurde entdeckt und wieder in die Andreasschule geführt. Vizewachtmeister Marcus führte ihn in die Revierstube, kam zurück und erzählte: ,,Oben habe ich ihn vor die Wand gestellt und gesagt, gehen Sie nur herein; darauf antwortete er, hier ist ja keine Tür, in dem Moment hatte ich ihn schon in den Kopf geschossen“. Die Leiche wurde beraubt und als unbekannt in die Sammelstelle in der Distelmeyerstr. eingeliefert.

in: Vier Jahre politischer Mord , von Emil Julius Gumbel , eine Broschüre, in denen der Autor der Justiz etwa 300 ungesühnte politische Morde – in der Regel von rechts – in den Jahren 1918-1920 nachweist, veröffentlicht 1922: „Die höchste zuständige Stelle, der Reichsjustizminister, hat meine Behauptungen mehrmals ausdrücklich bestätigt. Trotzdem ist nicht ein einziger Mörder bestraft worden. “ –

-